Landwirtschaftlicher Bodenmarkt: Landwirtschaftlicher Bodenmarkt im Brennpunkt von Regionen mit Siedlungserweiterung
Ein funktionierender landwirtschaftlicher Bodenmarkt ist ein wesentlicher Hebel für eine nachhaltige Nutzung des Bodens. Umgekehrt wird angenommen, dass ein nicht funktionierender Bodenmarkt eine optimale Nutzung des Bodens verhindert.
Hintergrund (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
Die fortschreitende Umnutzung von landwirtschaftlichen Produktionsflächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen betrifft vor allem Boden, der bis anhin im Geltungsbereich des bäuerlichen Bodenrechts war. Dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt kommt eine zentrale Bedeutung zu, indem sich das bäuerliche Bodenrecht auf die Effizienz der raumplanerischen Prozesse auswirkt. Eine wichtige Voraussetzung für eine koordinierte Bodennutzung ist daher ein nach marktwirtschaftlichen Regeln funktionierender landwirtschaftlicher Bodenmarkt. Ist dies nicht gegeben, laufen Entscheidungsprozesse zu Umnutzungen und zur Bereitstellung von Kompensationsflächen nach dem Prinzip des geringsten Widerstandes, was dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Nutzung des Bodens widersprechen kann.
Ziel
Ziel der Studie ist, die landwirtschaftliche Bodenmarktpolitik mit Fragen der Bodennutzung und der Umnutzung landwirtschaftlich genutzter Flächen in Verbindung zu bringen. Dieser Aspekt ist in der Umsetzung raumplanerischer Instrumente für eine nachhaltige Nutzung der Ressource Boden zentral und erhöht den raumplanerischen Spielraum, da er Ansatzpunkte für eine bessere Koordination der raumrelevanten Gesetze liefert (BGBB, LPG und RPG).
Resultate
Entgegen den Erwartungen zeigt sich, dass die landwirtschaftlichen Bodenmärkte in den drei Kantonen Aargau, Zürich und Graubünden tendenziell relativ gut funktionieren. Transaktionen mit landwirtschaftlichen Nutzflächen finden praktisch überall regelmässig statt und folgen insgesamt ähnlichen Mustern. Die Transaktionen sind gesamthaft weitgehend unabhängig von allgemeinwirtschaftlichen Faktoren wie z.B. eine rege regionale Bautätigkeit oder ein hoher Anteil an Siedlungsfläche. Die relevanten Einflussfaktoren sind vielmehr landwirtschaftlicher Art, wie z.B. ein ausgeprägter landwirtschaftlicher Strukturwandel oder eine hohe Nutzungsintensität. Der landwirtschaftliche Bodenmarkt scheint somit immer mehr zu einer innerlandwirtschaftlichen Angelegenheit zu werden, worauf der Gesetzgeber mit dem BGBB 1991 auch abzielte.
Raumrelevante Vorhaben, welche die Verfügbarkeit der landwirtschaftlichen Produktionsflächen tangieren, finden entweder kaum mehr statt (z.B. Einzonungen) oder werden dann von langer Hand geplant (z.B. grössere Infrastrukturprojekte, Ausscheidung von Gewässerräumen oder Renaturierungen von Gewässern). Entsprechend wird der landwirtschaftliche Bodenmarkt kaum tangiert und es sind keine (Transaktions-)Blockaden zu erwarten. Damit ist allerdings nicht per se eine nachhaltige Nutzung der Ressource Boden sichergestellt. Vielmehr sind die resultierenden Veränderungen in der Bodennutzung das Ergebnis der verfahrens- und ingenieurtechnischen Planungen bzw. Prozesse und der "zufällig" für Flächenkompensationen zur Verfügung stehenden Parzellen.
Bedeutung für die Forschung
Im Rahmen der vorliegenden Studie konnte unter Einbezug wichtiger Akteure aus Vollzug und Praxis festgestellt werden, dass Auseinandersetzungen an der Grenze zwischen Siedlungs- und Nicht-Siedlungsgebiet und insbesondere auch innerhalb der Landwirtschaftszone bisher nicht in einem koordinierten und konstruktiven Dialog angegangen worden sind. Es besteht demzufolge Forschungsbedarf erstens für ein besseres Verständnis der tatsächlichen Probleme und zweitens für Empfehlungen, wie diese am effizientesten angegangen werden können.
Bedeutung für die Praxis
Trotz der allgemeinen Feststellung von liquiden landwirtschaftlichen Bodenmärkte, und auch wenn die Zusammenhänge schwach erscheinen, wurden für Gemeinden mit einem hohen wirtschaftlichen Potenzial Muster einer teilweise beeinträchtigter Funktionsweise der landwirtschaftlichen Bodenmärkte festgestellt. Diese Beobachtung ist von Bedeutung und lässt in Verbindung mit der Errichtung neuer Produktionsinfrastrukturen und Umbauten von nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Gebäuden eine unerwünschte Entwicklung vermuten. Lösungsansätze zur Vermeidung von Fehlentwicklungen werden intensiv diskutiert, sind aber noch nicht ausgereift. Eine mögliche Stossrichtung liegt in einer konsequenteren Handhabung der Genehmigungen für "Bauen ausserhalb der Bauzone" und der im Raumplanungsgesetz verankerten Rückbaupflicht (Art. 16b RPG).
Eine nachhaltige Bodennutzung kann nach Ansicht der einbezogenen Expertinnen und Experten über umfassende Konzepte möglicher Raumentwicklungen, welche in partizipativen Prozessen unter Einbezug aller Interessen und insbesondere unter Einbezug der Landwirtschaft erarbeitet werden, erreicht werden. Entsprechende Anknüpfungspunkte sind in der Richtplanung grundsätzlich vorhanden (z.B. auf der Stufe "Vororientierung"). Verfahren zur Erarbeitung umfassender Konzepte bzw. zur Bereitstellung der notwendigen Grundlagen für die Richtplanung werden zurzeit entwickelt (z.B. landwirtschaftliche Planung).
Originaltitel
Landwirtschaftliche Bodenmärkte im Brennpunkt von Regionen mit Siedlungserweiterung: Treiber, Herausforderungen und Möglichkeiten der Politik
Projektverantwortliche
- Gianluca Giuliani, Flury & Giuliani GmbH
- Christian Flury, Flury & Giuliani GmbH